Stellungnahme der SPD-Fraktion:
Haushaltsplan 2024 der Stadt Burghausen
Franz Kammhuber, SPD-Fraktion im Stadtrat Burghausen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, geschätzte städtische Mitarbeiterinnen, wehrte Kollegeninnen im Stadtrat, verehrte Gäste und Medienvertreter*innen Gleich zu Beginn: Die Fraktion der SPD stimmt dem vorgelegten Haushalt zu. Nun aber wie wir den Haushalt sehen.
Gerade als wir die Corona-Pandemie überstanden hatten, greift Russland die Ukraine an, die Energiepreise explodieren und die Inflation steigt in Rekordhöhe. Letzten Herbst greift die Hamas Israel an und setzt damit den Nahen Osten in Flammen. Alles Krisen und Kriege, die uns große Sorgen bereiten. Aber noch mehr sorge ich mich um die Demokratie. Seit über 75 Jahren zeichnet sich unser Land durch eine stabile Demokratie aus und ermöglichte eine Friedensphase von noch nie dagewesener Dauer. Und jetzt? Zählen nun Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, ein soziales Netz und vor allem Freiheit nicht mehr? Sind wir auf dem Weg wie Ungarn, es Polen bis vor kurzem war oder in den USA droht? Da tritt eine Partei offen grundgesetzliche und ethisch/menschenrechtliche Werte mit Füßen. Nicht nur ihre Ziele des Denkens, jetzt sogar auch des Handelns im Geiste der Nazis werden inzwischen unmissverständlich ausgesprochen.
Verehrten Damen und Herren, die Verharmlosung muss beendet werden! Wenn völkisches Denken oder Deportationspläne offen ausgesprochen werden dürfen, dann fallen Hemmschwellen in der öffentlichen Debatte, in der Rassismus und Konzentrationslager der Nazizeit die logische Folge wären.
Gottseidank machen sich inzwischen viele Menschen in Deutschland ebenso Sorgen. Da keimt Hoffnung. Ein wichtiges Signal dazu war für Burghausen, als bei der Kundgebung Ende Januar viele Gruppen aus allen Bereichen unserer Stadtgemeinschaft mit im Boot waren und weit über 1000 Menschen sich versammelten. Nicht wenige waren erstmals in ihrem Leben auf einer politischen Kundgebung. Ja, viele erkennen die Gefahr von rechts – sie hat auch einen Namen: AfD!
Neben der ethisch-menschlichen Bewertung lassen sie uns nur mal überlegen, was los wäre, würden alle Menschen mit Migrationshintergrund nur einen Tag die Arbeit niederlegen, auch bei uns in Burghausen – in Pflegeberufen, unseren Handwerksbetrieben, den Großbetrieben oder ÖPNV und Lieferdienste. Mein Apell: Wir müssen wachsam sein. Machen wir uns bewusst, was Rechtsextremismus für die Menschen in unserm Land bedeuten würde. Wo bleiben sonst Menschenrechte, das Bemühen um Chancengleichheit, um Toleranz, Zusammenhalt und unsere offene vielseitige Kultur, gerade auch in Burghausen. Burghausen lebt davon! Der allgemeine Teil meiner Haushaltsrede war noch nie so politisch – doch angesichts der aktuellen Entwicklung frage ich mich:
**Wenn nicht jetzt,wann dann**
Nun zur aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Konjunkturerwartungen in Deutschland zeigen nach unten. Sind wir am Beginn eines dauerhaften Niedergangs oder ist das zu pessimistisch? Zuversicht können wir mit einem Blick in unsere jüngere Geschichte schöpfen. Zur Jahrtausendwende galt Deutschland als der kranke Mann Europas. Doch in den Folgejahren wuchs es zur wirtschaftlichen Stabilitätssäule in der EU. In den 90er Jahren wurde dem deutschen Automobilbau der Untergang prophezeit. Asiatische Hersteller ließen die heimischen weit hinter sich. Obwohl totgesagt, arbeiteten sich die deutschen Hersteller wieder an die Weltspitze. Auch die Industrie bei uns hatte immer wieder Einbrüche, zu denen sie jedoch immer wieder Problemlösungen fand und sogar gestärkt hervor kam. Es wäre aber ein fataler Fehler, würden wir aus diesen Erfahrungen einen Automatismus erwarten und passiv bleiben. Allerdings gab es in Vergangenheit immer einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Schwindet dieser nun? Vielfach werden ungeprüft Pseudoargumente übernommen und sachliche, anstatt emotionale Argumentation ist oft kaum mehr möglich. Wir müssen aufpassen, dass unsere globalen Firmen künftig nicht anderen Standorten mehr Vertrauen geben.
Die jetzt bevorstehende Phase der Transformation in der chemischen und petrochemischen Industrie ist ein völlig anderes Kaliber, als nur mal eine Flaute zu überstehen. Es müssen dafür völlig neue Technologien entwickelt werden. Dabei ist der Staat massiv gefragt. Er muss Rahmenbedingungen schaffen. Sichere Stromversorgung, konkurrenzfähiger Strompreis und leistungsfähige Energieanbindung sind einige davon. Scheitert die Transformation, stellt sich die Frage, ob uns bevorsteht, was das Ruhrgebiet durch den Ausstieg bei Kohle und Stahl die letzten Jahrzehnte prägte.
Ich sehe es nicht so pessimistisch. Hat doch die Industrie in unserer Region bereits mehrfach mit tiefgreifenden Wandel ihre Innovationskraft bewiesen.
Wir als Kommune sind dabei sicher nur ein kleines Rädchen. Jedoch ein sehr wirkungsvolles! Nur ein Beispiel: Mit dem Wasserstoff Reallabor wurden über 30 Firmen ins Boot geholt um als Netzwerk an dieser Transformation mitzuarbeiten. Ohne einer WiBG mit Hr. Steinberger, und in Nachfolge nun Hr. Hackl, wäre dies niemals zustande gekommen. Selbst in Jülich und Berlin ist man überrascht von der Schnelligkeit und Umsetzungskraft unseres H2-Reallabors. Das zeigt, dass eine 20.000 Einwohner-Stadt im Umfeld global aufgestellter Konzerne durchaus als Keimzelle und Kristallisationspunkt für große, wichtige Entwicklungen wirken kann.
Geprägt ist der vorgelegte Haushalt von massivem Einnahmeeinbruch. Jetzt sind es nur noch 56 Mio € nach 110 Mio € und 132 Mio € in den beiden Vorjahren. Es ist wichtig Hr. Bürgermeister, dass sie darauf reagiert haben. Einige, jetzt noch nicht zwingende Investitionen sind auf später verschoben (z.B. Hallenbadsanierung), aber auch, und das unterstützen wir von der SPD-Fraktion ausdrücklich, dass jetzt keine Vollbremsung hingelegt wird. Wir sind doch froh, dass der eine oder andere Investor im Wohnungsbau trotz schwierigen Zeiten Kräne aufstellt und baut. Da dürfen wir uns als Stadt nicht vollständig ausklinken. Zentral ist uns in der Fraktion auch, dass sich wichtige Leistungen, die das Miteinander unserer Stadtgesellschaft erhalten und stärken, weiterhin stabil im Haushalt finden. Statt nun einzelne Details aufzuzählen, wähle ich den Weg, Schwerpunktbereiche in dem komplizierten Haushaltsgeflecht herauszuheben.
• Die Personalausgaben, wegen der überproportional gewachsenen Kosten bereits leidenschaftlich diskutiert, wurden auch in unserer Fraktion kritisch analysiert. Wir müssen aber sehen, dass inflationsbedingt Tariferhöhungen auf ungewohnt hohen Niveau als früher sind. Angesichts des Fachkräftemangels, müssen wir immer wieder auch höhere Gehälter in Kauf nehmen. So wären ohne Verstärkung der EDV eine Digitalisierung und das Wappnen gegen Cyberkriminalität nicht möglich. Im Gebäude- und Energiemanagement war eine Verstärkung zwingend angesagt. Auch zeigen die über 14 Mio € Personalkosten im Vergleich zu früheren Jahren nur einen Teil der Wahrheit. All die zugekauften Personalleistungen sind nicht eingerechnet. Wie haben diese sich verändert? Für einen leistungsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftsstandort wäre eine lahme Verwaltung ein fataler Bremsklotz.
• Bildung und Soziales für den Zusammenhalt in unserer Stadtgesellschaft.
Der Erweiterungsbau der Kammerer Schule kann dieses Jahr von Kindern und Lehrer mit Leben erfüllt werden. Weiter geht es dann mit der mehrfach verschobenen Sanierung der Stethaimer Schule.
Zur Bildung ergeben Schule, KiTa, Vereine, Sport und Kultur ein gemeinsam wirkendes Gefüge. Die Haushaltsansätze dafür wurden in etwa beibehalten und nicht(!) reduziert. Mit den über 600.000 € für Mittags- und Nachmittagsbetreuung an unseren Schulen ermöglichen wir Kindern ein Stück Gemeinschaft und Sozialisierung, die sie als Einzelkinder oder mit ganztags arbeitenden Eltern oft nicht erleben könnten. Gleiches gilt auch für Krippen- und Kindergartenplätze. Darüber hinaus ist es auch ein Beitrag, junge Eltern als oft stark vermisste Fachkräfte für unsere Firmen freizumachen.
Stadtgemeinschaft lebt auch in den vielen Vereinen. Jeder Euro für Vereine und Sozialverbände wird in der Wirkung vervielfacht durch die ehrenamtlichen Stunden, die dort für Gemeinschaft und Zusammenhalt geleistet werden. Das weiterhin hohe Niveau dieser freiwilligen Leistungen im Haushalt sehe ich auch als Signal des Dankes und der Botschaft an die Vereine „bitte nicht nachlassen“.
Wichtige Säule unseres Sozialgefüges und gesellschaftlichen Zusammenhalts ist auch der städtische Wohnungsbau, der für über 800 Wohnungen erträgliche Mieten sichert. Aber auch die erheblichen Gelder für unsere Bäder wirken in diesem Sinne. Die Leistungen für und durch die Bürgerinsel, für Weihnachtsbeihilfe oder den Sozialfond tragen erheblich zu einer sozialen Stadt bei.
• Bereich Wohnungsbau und Stadtgestaltung
Hier steht ein Neubau durch die BuWoG auf der Agenda. Bei Stadtgestaltung geht es darum, Baureife am Salzachareal herzustellen, um mit dem Bau des Technikum beginnen zu können, sowie die rechtliche Grundlage für den Baustart Salzachzentrum und der, hoffentlich zeitnah erfolgenden Bauzusage des Investors VR-Bank herzustellen.
Ein großes Thema wird die Fernwärme für Burghausen. Die erfolgreiche Tiefenbohrung in Halsbach lässt uns guten Mutes sein. So sind alle anstehenden Bauaktivitäten im öffentlichen Raum unter diesem Aspekt zu betrachten. Zur Frage wo und wann denn Fernwärme etwa erwartet wird, müssen wir im laufenden Jahr für unsere Bürger Klarheit schaffen.
Eine Bewertung der Zahlen für dieses Jahr ist nur im Zusammenhang mit den mittelfristigen Erwartungen sinnvoll. Nach dem Einbruch der Steuereinnahmen sind die weiteren Ertragserwartungen unserer Industrie nur schwierig vorherzusagen. Wir stehen zu der Linie, vorsichtig, aber nicht extrem pessimistisch zu planen. Bei verhaltenem Optimismus müssen wir sehen, wo in den mittelfristig anstehenden Projekten Sparpotentiale sind, falls die Erholung unserer Steuereinnahmen doch auf sich warten lässt. Aus Sicht der SPD-Fraktion sind die primären Schwerpunkte, welche als Zukunftsinvestitionen zu sehen sind: Bildung, Bildung und nochmal Bildung und dazu Nachhaltigkeit und die Sicherung unserer Arbeitsplätze.
So wie sich unsere Industrie der Herausforderung der Transformation zu stellen hat, sind wir als Stadt bei der Transformation unserer Energieversorgung gefordert. Deshalb hat das Langzeitprojekt der klimaneutralen Fernwärme auch solch immense Bedeutung.
Einen Bereich, der im städtischen Haushalt nicht erscheint, möchte ich ansprechen. Unserer Gesellschaften in städtischer Hand oder städtischer Beteiligung leisten für den Standort Unschätzbares. Ich wage zu behaupten, dass kaum eine andere Kleinstadt in Bayern so wirkungsvolle kommunale Standortförderung hat, wie wir mit WiFög, WiBG, RegioInvest, Campus und neuerdings auch unserm H2-Reallabor. Welche Stadt hat im Mietwohnungsmarkt so hohen Anteil in kommunaler Hand, wie wir mit der BuWog. Ergänzend dazu noch die Touristik als eine treibende Kraft in Fremdenverkehr und Handel. Ich denke es ist für Bürger schon wissenswert, dass über die Jahre für die Stadt in den Gesellschaften Werte im dreistelligen Millionenbereich geschaffen wurden! Mit diesem Spirit in der Stadt, unserer Verwaltung, unseren Gesellschaften und unseren Betrieben in Gewerbe, Handel, Mittelstand, Industrie und Bildungseinrichtungen ist mir nicht bang!
Sehr verehrte Damen und Herren, die SPD-Fraktion bedankt sich von ganzem Herzen und voller Respekt bei allen Bürgern und Bürgerinnen, die zu unserer lebenswerten Stadtgesellschaft beitragen. Wir danken ebenso allen, die Steuern zahlen – unsere Industrie, unsere mittelständischen Unternehmen, aber auch die Steuern aus den Löhnen und Gehältern unserer Arbeitnehmer*innen. Zuversichtlich, mutig, engagiert, innovativ und entscheidungsfreudig handeln ist Burghauser Kultur – halten wir diese Kultur weiterhin lebendig. Was wäre Burghausen ohne die Gemeinschaftsleistung all der Ehrenamtlichen in den Vereinen und Initiativen. Ihr schafft in unserer Stadt Lebensqualität, Geborgenheit und ein Gefühl des WIR. Jeder, der von uns ehrenamtlich aktiv ist, erlebt, wie schwierig es ist, Menschen dafür zu gewinnen. Danke an alle, die sich im Sinne der Gemeinschaft einbringen.
Wir, die Fraktion der SPD, bedanken uns ausdrücklich bei allen Mitarbeiter*Innen und der Verwaltung, im Rathaus und all den Außenstellen. Wir erleben sie als hochqualifizierte und motivierte Mannschaft.
Frau Hauser, Dank an sie und an alle Beteiligten für die Arbeit zum vorgelegten Haushalt. Wir schätzen die informative, gut lesbare Aufbereitung sehr! Dank auch an all die Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat, die für eine konstruktive Zusammenarbeit stehen. Sicher gibt es immer wieder unterschiedliche Meinungen. Das ist auch wichtig so. Demokratisch ist, wenn wir nicht nur mit dem Kopf durch die Wand wollen, sondern aufeinander zugehen können, um Überzeugungsarbeit zu leisten, aber auch um Kompromisse zu finden und dann auch Entscheidungen zu akzeptieren.
Unser gemeinsames Ziel: Das Wohl unserer Stadt!
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit
Franz Kammhuber,
Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat Burghausen